Drei «goldene» Würfel im All – was sich wie der Anfang eines Märchens anhören mag, sind in Wirklichkeit die drei Referenzpunkte von LISA. LISA ist eine geplante Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA. Die Konstellation soll im Jahr 2036 ins All gebracht und das erste weltraumbasierte Gravitationswellen-Observatorium werden.
Zu den Forschern, die das Vorhaben seit Anfang eng begleiten, gehört Philippe Jetzer: Er ist theoretischer Physiker, Mitglied des Space Hub der Universität Zürich und Schweizer Vertreter im LISA-Wissenschaftsteam der ESA. In dieser Funktion ist er auch für die Vorläufermission LISA Pathfinder tätig gewesen. Diese hat 2016 die Schlüsseltechnologien getestet, die für die Messung von Gravitationswellen entwickelt worden sind.
LISA selbst besteht aus drei identischen Raumsonden, die im All in den Eckpunkten eines gleichseitigen Dreiecks positioniert sind. Laserstrahlen bilden seine Seiten und «verbinden» so jede Sonde mit den beiden anderen. Seitenlänge dieses himmlischen Dreiecks: 2,5 Millionen Kilometer! In dieser Anordnung umkreist LISA auf der Erdumlaufbahn die Sonne. LISA ist nichts anderes als ein riesengrosses, extrem präzises Lasermesssystem im All.
Im Innern der drei Sonden befinden sich Sensoren, Steuerungs- und Mikroantriebssysteme sowie eine Kammer. Und hier kommen die eingangs erwähnten drei «goldenen» Würfel ins Spiel: In jeder der Kammern schwebt ein knapp 5 Zentimeter grosser Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung – in immer der exakt gleichen Position und ohne je die Wände seines Behältnisses zu berühren.
Milliardenalte Informationen aus dem Kosmos
Gravitationswellen – Schwerkraftwellen – werden von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt. Sie sind 2015 mit Messstationen auf der Erde erstmals prinzipiell nachgewiesen worden. Verschiedene kosmische Ereignisse erzeugen Gravitationswellen. Die stärksten Wellen entstehen, wenn sich massive Objekte im Universum mit grosser Geschwindigkeit bewegen: bei einer Supernova, wenn schwarze Löcher miteinander verschmelzen oder wenn sie Neutronensterne verschlucken.
Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit vom Ursprung ihrer Entstehung kreisförmig im Universum aus. Sie dehnen und stauchen alles, an dem sie vorbeiziehen. Sie geben Auskunft über kosmische Ereignisse, die vor Milliarden von Jahren stattgefunden haben. Je nach Grösse des Ereignisses entstehen nur schwache Gravitationswellen, das heisst Wellen mit geringer Auslenkung. Um diese zu beobachten, sind sensible und hochpräzise Messinstrumente nötig. Diese werden am besten im All platziert. Dort gibt es – im Gegensatz zu erdbasierten Messstationen – keine Störeinflüsse.
Die Würfel sind gegen sämtliche äussere Einflüsse wie zum Beispiel Strahlung abgeschirmt und werden einzig durch Gravitationswellen beeinflusst. Sie bilden die Referenzpunkte des Lasermesssystems. Trifft nun eine Gravitationswelle auf die erste Sonde, ändert sich ihr Abstand zu den anderen Sonden geringfügig. Wenige Sekunden später wird auch die zweite und dritte Sonde von der Gravitationswelle erfasst.
Diese Signale werden aufgezeichnet und ermöglichen es den Forschern, neue Erkenntnisse über die Struktur und Geschichte des Universums zu gewinnen. Mit etwas Glück schafft es LISA dank den «goldenen» Würfeln sogar, Gravitationswellen aus den extrem frühen Phasen des Urknalls nachzuweisen!
Der Luft- und Raumfahrtbereich des Space Hub der Universität Zürich ist ab 2024 in der Halle 4 auf dem Innovationspark in Dübendorf angesiedelt. Im Space Blog gibt es Einblicke in Forschungen, Ideen, Erfolge und Rückschläge der UZH-Space-Hub-Mitglieder.