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Zwei Frauen stehen vor einem Graffiti in einem Treppenhaus.

Cristina Rampin (links) ist Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit Dübendorf, Laura Beytekin leitet den Queer-Treff. Foto: Annette Saloma

Queer-Treff Dübendorf

«Wir helfen ihnen nur, zu verstehen, wir machen sie nicht queer»

In Dübendorf gibt es einen Queer-Treff, der von der Kinder- und Jugendarbeit organisiert wird. In den vergangenen zwei Jahren war er auch schon Kritik ausgesetzt.

Cristina Rampin (links) ist Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit Dübendorf, Laura Beytekin leitet den Queer-Treff. Foto: Annette Saloma

Veröffentlicht am: 24.07.2023 – 08.17 Uhr

Den Queer-Treff in Dübendorf gibt es seit rund zwei Jahren. Er spricht LGBTQ-Jugendliche an, also solche, die lesbisch, schwul, bisexuell oder trans sind. Er findet zweimal im Monat statt, einmal am Mittag und einmal am Abend. Der Treffpunkt und die genaue Zeit sind geheim. Vor Kurzem hat Laura Beytekin die Leitung des Queer-Treffs übernommen. Wir haben mit ihr und Cristina Rampin, der Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit Dübendorf, gesprochen.

Weshalb braucht es in Dübendorf überhaupt einen Queer-Treff?

Cristina Rampin: Diese Idee kam nicht von uns, sondern wir haben das Bedürfnis der Jugendlichen aufgenommen. Wir hatten hier solche, bei denen wir merkten, dass sie einen geschützten Rahmen brauchen, um sich auszutauschen. Auch bei der Schulsozialarbeit der Sekundarschule, mit der wir eng zusammenarbeiten, wurde von Jugendlichen der Wunsch nach so einem Treff deponiert. So entstand dieses Angebot. Die Rückmeldung zeigt, dass das Bedürfnis da ist. Es kommen jeweils zwischen zwei und zehn Personen.  

Ort und Zeit des Treffens sind geheim – warum?

Rampin: Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wirklich diesen geschützten Rahmen zu ermöglichen. Das Jugi ist ein offenes Haus – da wollen wir nicht, dass genau in diesem Moment andere kommen und sie das erleben, was sie nicht erleben wollen: veräppelt oder beschimpft zu werden.

Werden sie damit nicht noch mehr ausgeschlossen?

Rampin: Unser Ziel ist nicht in erster Linie, sie mit anderen, nicht queeren Jugendlichen zusammenzubringen. Es geht darum, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind und was es sonst noch so für Angebote ausserhalb von Dübendorf gibt. Wir haben schon queere Jugendliche, die auch andere Angebote des Jugendhauses besuchen, aber das ist nicht das Hauptziel.

Wen sprechen Sie mit Ihrem Angebot an?

Rampin: Das sind LGBTQ-Jugendliche, aber auch solche, die sich in ihrer sexuellen Orientierung noch nicht sicher sind und im Gespräch mit anderen mehr von sich verstehen möchten. In den letzten zwei Jahren gab es spannende Entwicklungen – Jugendliche, die das Pronomen wechselten oder sich sicherer wurden, wohin ihr Weg führen soll.

In so einem Rahmen ist die Versuchung vielleicht gross, etwas auszuprobieren. Fördern Sie diese Entwicklung mit dem Treff?

Rampin: Tatsächlich haben uns Kritiker schon vorgeworfen, dass wir Jugendliche queer machen. Mit solchen Menschen suchen wir das Gespräch und erklären ihnen, dass man nicht queer wird. Diese Jugendlichen haben schon früh gemerkt, dass sie anders sind, konnten das aber nicht verstehen, vielleicht auch, weil in ihrer Kultur Queerness verabscheut wird. Wir helfen ihnen nur, zu verstehen, wir machen sie nicht queer.

Wie muss man sich so ein Treffen vorstellen?

Laura Beytekin: Ich gebe kein Thema vor und versuche auch nicht, das Gespräch in eine Richtung zu lenken, das ergibt sich alles spontan. Wir besprechen, was die Jugendlichen beschäftigt. Das ist nicht mal immer das Thema LGBTQ – es geht um ganz alltägliche Dinge wie Schule oder Familie. Manchmal machen wir auch Ausflüge, beispielsweise waren wir kürzlich im Jugendkulturhaus Dynamo in Zürich an der Bar der Milchjugend, einer queeren Jugendorganisation.

Zwei Frauen stehen vor einem Graffiti in einem Treppenhaus.
Der Queer-Treff findet zweimal im Monat statt, einmal über Mittag und einmal am Abend. Foto: Annette Saloma

Was beschäftigt queere Jugendliche am meisten?

Rampin: Ein grosses Thema ist sicher, dass viele von ihnen in der Schule Aussenseiter sind. Die Jugendsprache hier in Dübendorf ist allgemein sehr rau. «Schwul» wird wie «behindert» als Schimpfwort gebraucht. Wenn man das als queerer Jugendlicher hört, zieht man sich zurück und versucht, auf keinen Fall aufzufallen.

Ermutigen Sie die Jugendlichen, sich zu outen?

Beytekin: In erster Linie bieten wir ihnen einen Raum, in dem sie sich selber sein können, und zeigen ihnen, dass sie auch einen Platz auf dieser Welt haben. Jeder soll so leben, wie er will, solange er niemandem schadet. Wir ermutigen oder drängen niemanden dazu, sich zu outen. Aber wir begleiten sie wenn nötig in diesem Prozess. Denn es wäre schon gesund, dazu stehen zu können, statt sich sein ganzes Leben verstecken zu müssen.

Wie verhindern Sie, dass Dinge, die am Treff besprochen werden, nach aussen dringen?

Beytekin: Wir haben eine Schweigepflicht-Vereinbarung, die alle Jugendlichen, die den Treff besuchen, unterschreiben müssen.

Was haben Sie sonst für eine Klientel im Jugendhaus Dübendorf?

Rampin: Wir haben sehr viele Jugendliche mit Migrationshintergrund, die dem Thema gegenüber eher nicht so aufgeschlossen sind. Wir hatten mal ein Plakat zur Entwicklung der Regenbogenflagge, dieses wurde heruntergerissen. Der Flyer zum Queer-Treff, den wir seit Neuestem hier aufgehängt haben, wurde bis jetzt nicht angerührt, es gab auch keine negativen Rückmeldungen. Wir hoffen, dass es so bleibt.

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