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Erster Schultag im Schulhaus Hagen in Illnau-Effretikon.

Die Oberländer Schulen waren mit ihren Lehrpersonen ohne Diplom zufrieden, aber nicht alle können bleiben. (Symbolbild) Foto: Talina Steinmetz

Lehrermangel in der Region

Sie wurden geschätzt – und müssen jetzt gehen

Lehrpersonen durften ein Jahr lang ohne Diplom unterrichten. Doch nun müssten sie eine Ausbildung beginnen. Klappt dies? Eine Rundumschau in der Region.

Die Oberländer Schulen waren mit ihren Lehrpersonen ohne Diplom zufrieden, aber nicht alle können bleiben. (Symbolbild) Foto: Talina Steinmetz

Veröffentlicht am: 12.07.2023 – 10.03 Uhr

Erster Schultag im Schulhaus Hagen in Illnau-Effretikon.
Die Oberländer Schulen waren mit ihren Lehrpersonen ohne Diplom zufrieden, aber nicht alle können bleiben. (Symbolbild)  Foto: Talina Steinmetz

Am Wochenende beginnen die Sommerferien. Damit endet auch das Schuljahr für zahlreiche Lehrpersonen, die ohne abgeschlossene Ausbildung vor einer Klasse standen.

Doch wie geht es nun weiter? Die Bewilligung für Lehrpersonen ohne Diplom läuft nach einem Jahr ab. Entweder sie beginnen eine Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule – oder sie können nicht mehr an der gleichen Schule beschäftigt werden. Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich kann aufgrund von gesetzlichen Vorgaben momentan keine Verlängerung der Anstellung treffen.

Viele der Lehrpersonen ohne Diplom wären jetzt bereit für ein zweites Jahr.

Karin Zulliger

Leiterin Bildung der Primarschule in Dübendorf

Für viele der sogenannten Poldis (Personen ohne Lehrdiplom) eine schwierige Situation – auch im Oberland. So ist es in der Primarschulpflege in Dübendorf ein grosses Thema. «Viele der Lehrpersonen ohne Diplom wurden sehr geschätzt, sie konnten in dem Jahr viel Know-how sammeln und wären jetzt bereit für ein zweites Jahr», sagt Karin Zulliger, Leiterin Bildung der Primarschule in Dübendorf.

Zudem hätten viele langjährige Lehrpersonen Zeit investiert, um die Poldis zu coachen und bei Fragen zu unterstützen. «Die Vorgaben der Bildungsdirektion sind für manche nicht so einfach», sagt Zulliger.

Wenn man zum Beispiel über 50 sei und alleinerziehend, dann überlege man es sich gut, ob man nochmals so intensiv an der Pädagogischen Hochschule studieren wolle. «Da spielen auch existenzielle Fragen eine Rolle.»

Teilzeitpensen während der Quest-Ausbildung

An anderen Schulen in der Region haben im vergangenen Schuljahr ebenfalls Poldis unterrichtet. So zum Beispiel in Wetzikon. Vier davon werden der Schule Wetzikon auch im neuen Schuljahr treu bleiben. «Wir werden sie in der Quest-Ausbildung weiterbeschäftigen», sagt Thomas Ruppanner, der Leiter Bildung.

Quest ist die Kurzform für Quereinsteiger. Diese Personen können an einer Pädagogischen Hochschule (PH) eine verkürzte Ausbildung absolvieren und dürfen bereits während des Studiums an der Schule in kleinen Pensen beschäftigt bleiben.

Auch in Uster können zwei Lehrpersonen weiter angestellt bleiben. Beide arbeiten in einem Pensum von 55 und 60 Prozent und besuchen eine Ausbildung an einer Pädagogischen Hochschule: in Zürich und in Chur. «Diejenige, die in Chur studiert, schreibt noch an ihrer Abschlussarbeit, nur so kann sie während der Ausbildung in diesem hohen Pensum bei uns arbeiten», sagt Markus Zollinger, Gesamtschulleiter von Uster.

Auch im nächsten Schuljahr

Somit werden im neuen Schuljahr in der Region weitere Personen in Ausbildung oder ohne Lehrdiplom vor der Klasse stehen.

«Wir haben sieben Personen ohne Lehrdiplom angestellt», sagt Ruppanner von der Schule Wetzikon. Hinzu kommen die vier Personen in der Quest-Ausbildung sowie zwölf weitere, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Hinwil: Im nächsten Schuljahr werden fünf Poldis ihre Ausbildung an der PH beginnen – eine Person verlässt jedoch das Schulfeld und geht zurück in die Privatwirtschaft. «Momentan sind noch fünf der 256 Stellen unbesetzt», schreibt Thomas Ludescher (parteilos) vom Schulpräsidium in Hinwill.

Ausgebildete Lehrpersonen können ihre Stelle aussuchen

In Wetzikon hingegen seien zwar alle Stellen für Klassenlehrpersonen besetzt. Wer einen Blick ins Stellenportal wirft, sieht jedoch aktuell noch drei ausgeschriebene Stellen.

Auch in Uster sind einige Posten noch frei. «Für die offenen Stellen gehen weiterhin nur wenige Bewerbungen ein», sagt der Ustermer Gesamtschulleiter Markus Zollinger.

Der Lehrermangel ist also noch nicht ausgestanden. «Die Situation ist auf allen Schulstufen sehr angespannt», stimmt Thomas Ruppanner von der Schule Wetzikon zu. Es seien zu wenige ausgebildete Bewerber verfügbar.

Deshalb wollen viele Schulen Abgänge verhindern, indem sie versuchen, das bestehende Personal zu pflegen. «Ausgebildete Lehrpersonen können sich ihre Traumstelle jetzt herauspicken», sagt Karin Zulliger, Leiterin Bildung der Primarschule in Dübendorf.

Idealisierte Vorstellung des Lehrerberufs

Lehrpersonen ohne Diplom anzustellen, birgt auch für Schulen unbekannte Stolpersteine. «Eines der Hauptprobleme bestand darin, dass viele Bewerber begrenzte Vorstellungen davon hatten, welche Aufgaben neben dem reinen Unterrichten noch zum Tätigkeitsbereich einer Lehrperson gehören», sagt Ruppanner.

Damit nimmt er Bezug auf zusätzlichen Arbeitsaufwand, der für die Koordination von Elterngesprächen, interne Sitzungen oder auch die Planung von Schulreisen draufgeht.

Doch nicht alle Schulen in der Region mussten auf Personen ohne Diplom zurückgreifen. In Pfäffikon war nur eine Klassenassistenz für vier Lektionen pro Woche zusätzlich als Lehrperson tätig.

Und in Illnau-Effretikon arbeiteten in der Volksschule gar keine Poldis. «Verschiedene Stellen waren durch Studierende der Pädagogischen Hochschule besetzt», sagt Stadtrat Samuel Wüest (SP).

Auch das sei teils herausfordernd gewesen. «Diese hatten immer wieder Ausfälle durch Studienwochen, Sprachaufenthalte oder Prüfungen.»

Man sollte die Zulassungsbedingungen für die Ausbildung an der PHZH anpassen und auf Altersgrenzen verzichten.

Markus Zollinger

Abteilungsleiter Bildung in Uster

Die Schulen kämpfen also auch fürs kommende Jahr darum, alle Stellen zu besetzen. Und die wenigsten rechnen damit, dass sich die Lage bald merklich entspannt. Deshalb sind andere Lösungsvorschläge gefragt.

Einfacheres Studium

In Uster und Wetzikon hofft man vor allem, dass die Studienbedingungen verändert werden. «Man sollte die Zulassungsbedingungen für die Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule anpassen und auf Altersgrenzen verzichten», fordert Markus Zollinger von der Schule Uster. So ist heute die Quest-Ausbildung erst ab 30 Jahren möglich.

Zudem wünscht er sich, dass Ausbildungsmöglichkeiten angeboten werden, die für Personen mit Familien machbar sind.

Erfahrung und praktisches Können sollten stärker berücksichtigt werden.

Thomas Ruppanner

Leiter Bildung in Wetzikon

Ähnlich tönt es auch in Wetzikon: Eine modulare Gestaltung der Quest-Ausbildung, um den individuellen Bedürfnissen der angehenden Lehrkräfte besser gerecht zu werden, erhofft sich Thomas Ruppanner. «Erfahrung und praktisches Können sollten stärker berücksichtigt werden.»

Die Schule Pfäffikon wählt einen anderen Ansatz: Sie ist neu Ausbildungspartnerin der Pädagogischen Hochschule Zürich. Die Schulpflege erhofft sich dadurch, künftig einfacher Berufseinsteigerinnen und -einsteiger direkt nach dem Studium ins Zürcher Oberland zu locken.

Das sagt die Bildungsdirektion

Eine Verlängerung der Anstellung von Personen ohne Lehrdiplom könne aufgrund gesetzlicher Vorgaben momentan nicht getroffen werden. Die heutige rechtliche Bestimmung und die einjährige Ausnahmeregelung seien somit zweckmässig.

Myriam Ziegler, Amtschefin des Volksschulamts, schreibt zur Situation von Poldis, die sich aus existenziellen Gründen keine Ausbildung an der PH leisten können: «Dass in Einzelfällen eine Person ohne Lehrdiplom die Ausbildung aus finanziellen Gründen nicht absolvieren kann, ist bedauerlich, aber leider nicht in nützlicher Frist zu ändern.» Die Anpassung der gesetzlichen Grundlagen liege in der Kompetenz des Kantonsrats.

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