Der Schlag war heftig: Als rund um Pfingsten die landwirtschaftlichen Mähmaschinen auf Hochtouren liefen, verfärbte sich die Pollenkarte der Meteorologen tiefrot. Und mit ihr die Augen vieler allergischer Menschen.
Für sie kam das Unheil leise. Für die Tiere in den Feldern dagegen unmittelbar und laut.
Weil es wochenlang geregnet hatte, mussten alle Bauern an diesem verlängerten Wochenende ihre Mähernte zügig einbringen. Trotz aller Vorsicht und den Massnahmen, die im Vorfeld ergriffen wurden, dürfte es auch in diesem Jahr wieder das eine oder andere Rehkitz erwischt haben, das im hohen Gras gelegen hatte.
Was viele nicht wissen: Auch Katzen können Opfer der sogenannten Mahd werden. Eigentlich sollten diese instinktiv vor dem Lärm der sich nähernden Maschinen flüchten. Doch manch eine fühlt sich im vermeintlichen Versteck zu sicher und geht in Deckung – ein Fehler, der tödlich enden kann.
Gefunden und beerdigt
Dieses Schicksal hatte vor einigen Jahren die junge Bonnie in Wangen ereilt. Ihr Besitzer Urs Spillmann erinnert sich noch gut: «An einem Samstagnachmittag zog sie los auf das benachbarte Feld, dann kam sie tagelang nicht mehr zurück. Als meine Nachbarin im Zuge der Suche schliesslich den Bauern fragte, kam der Unfall zum Vorschein.»
Für den Dübendorfer Drogisten war das ein traumatisches Erlebnis, an dem er lange zu kauen hatte. Gleichzeitig war er froh, dass er Bonnie wenigstens noch gefunden hat und sie beerdigen konnte. «So musste ich zumindest nicht mehr mit der Ungewissheit leben.»
«Solche Unfälle geschehen häufig», bestätigt Esther Geisser. Die Präsidentin der Esslinger Tierschutzorganisation Netap sagt, sie habe auch zuletzt vermehrt wieder von Fällen gehört, bei denen Katzen in die Notfallkliniken eingeliefert worden seien.
Konkrete Nachfragen zeigen, dass in der Ustermer Neuwiesenpraxis jüngst eine Katze deswegen eingeschläfert werden musste, in der Kleintierchirurgie des Tierarztes Nicolas Kipfer in Egg mussten seit Pfingsten gar deren vier mit akuten Eingriffen gerettet werden.
Darüber hinaus ist mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen, da viele ihren Verletzungen erliegen und gar nicht gefunden werden.
Kommt es tatsächlich zu einer Operation, werden nicht selten kostenintensive Amputationen nötig – wobei sich diese aber durchaus lohnen können. «Katzen sind problemlos fähig, auch mit drei, im Extremfall sogar noch mit zwei Beinen zu leben», erklärt Geisser.
Deplatzierte Schulddebatte
Da das Thema viele Menschen emotional berührt, hat die Tierschützerin in den letzten Wochen in den sozialen Medien die Entstehung einer Schulddebatte beobachtet. Sie hat für diese allerdings wenig übrig: «Da sich Katzen nicht einfach kurzfristig verscheuchen lassen, sind den Landwirten weitgehend die Hände gebunden. Die Verantwortung liegt also nicht einfach bei ihnen, vielmehr sind die Halterinnen und Halter in der Pflicht.»
Dabei ist ihr Lösungsansatz simpel: «Sie können auf den benachbarten Bauern zugehen und ihn darum bitten, ihnen kurz per Telefon oder SMS mitzuteilen, an welchem Tag er mähen möchte. Dann können sie die Katze zu jener Zeit im Haus lassen.»
Ein Anruf beim Bauern Ueli Kuhn aus Illnau-Effretikon bestätigt, dass diese Praxis bereits Einzug gehalten hat. «Wir stehen im Austausch mit den betroffenen Halterinnen und Haltern und informieren sie vorab. Diese wiederum führen eine Whatsapp-Gruppe, in der sie dies teilen.»
Dieses Jahr ist für ihn bislang unfallfrei verlaufen. Doch auch er war in der Vergangenheit nicht von solchen Unfällen verschont geblieben. «Sofern ich den Vorfall bemerkt hatte und die Katze gechippt war, habe ich jeweils Rücksprache mit den Besitzern genommen. Dabei zeigte sich, dass es tendenziell Tiere waren, die schon etwas älter waren oder leichte Beeinträchtigungen hatten.»
Gleichwohl sind die Erfahrungen unangenehm. Und sie können im schlimmsten Fall auch betriebswirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen: Ein Kadaver im Tierfutter kann zu sogenanntem Botulismus führen. Einer Krankheit, die für Rinder extrem gefährlich ist und Lähmungen verursacht, die zum Tod führen können.
«Wir müssen deshalb generell aufmerksam sein, auch wegen Rehkitzen, Füchsen oder Vögeln. Die Maschinen sind gross, und ein übersehenes Tier kann für den Viehbestand grosse Konsequenzen haben», erklärt Kuhn. Er weiss aber auch: «Eine 100-prozentige Garantie gibt es nicht.»
Das Risiko zumindest vermindern
Mit dieser Gewissheit müssen – bei aller Voraussicht – auch die Katzenhalterinnen und -halter leben. Doch allein schon die Mühe, sich mit dem Bauern aus der Nähe in Verbindung zu setzen und ihn um ein Warnzeichen zu bitten, kann das Risiko erheblich vermindern.
«Die Bauern sind in dieser Frage sehr kooperationsbereit, sie haben ja selbst ein vitales Interesse daran, diese Unfälle zu vermeiden», sagt die Tierschützerin Esther Geisser. Es sei deshalb wichtig, die Nachricht unter die Leute zu bringen.
Wie wichtig, zeigt denn auch die Reaktion des Direktbetroffenen Urs Spillmann. «Auch weil der Autoverkehr für meine Katzen stets die grössere Gefahr ist, wäre ich damals gar nicht auf diese Idee gekommen.»