Ulrich Matti blickt stolz, aber wehmütig auf seinen rund drei Meter hohen Fliederstrauch im Garten. Links daneben steht ein ebenso grosser Goldregen. Sie sind der Grund, weshalb Matti und sein Nachbar vorerst auf keinen grünen Zweig mehr kommen.
«Plötzlich sind ihm meine Sträucher zu hoch», sagt Matti. Vor ihm auf dem Küchentisch liegen ein halbes Dutzend ausgedruckte Mails und Briefe von der Verwaltung und seinem Nachbarn. Dieser wohne bereits seit rund 24 Jahren in derselben Gutenswiler Nachbarschaft wie Matti.
«Erst jetzt gibt es plötzlich Probleme», sagt Matti. Die drei Sträucher in seinem Garten – die bereits gepflanzt waren, als Matti eingezogen ist – stören seinen Nachbarn so stark, dass dieser mittlerweile mit dem Friedensrichter drohe.
Für die Biodiversität
«Bei der Eigentümerversammlung Anfang Jahr hatte unser Nachbar das erste Mal mit dem Finger auf uns gezeigt», sagt der 67-Jährige. Damals habe der Nachbar gedroht, er würde das Ganze vor Gericht ziehen, wenn die Sträucher nicht innert dreier Tage um einen halben Meter gestutzt würden.
Als Grund für seine Forderung gibt er das Stockwerkreglement der Eigentumswohnungen an. In diesem ist die Maximalhöhe für Pflanzen im Garten auf 2,5 Meter festgelegt. «Das will er jetzt plötzlich resolut umgesetzt haben.»
Matti ist überrascht. Er habe seine Sträucher bisher immer professionell schneiden lassen, damit sie eben diese Maximalhöhe nicht überschreiten. Erst als vor zwei Jahren direkt vor den Gartenparzellen zwei Mehrfamilienhäuser gebaut wurden, habe er die Sträucher minimal wuchern lassen.
«Mir und meiner Frau ist die Umwelt wichtig, und seitdem die hohen Bäume auf dem Nachbargrundstück vor unseren Gärten weg sind, kommen Vögel und Insekten eben vermehrt zu uns.» Hohe Sträucher seien wichtig für die Biodiversität, weshalb ein kleiner Fliederstrauch nicht reiche. «Vögel fühlen sich in Bäumen und Sträuchern nur in einer gewissen Höhe wohl.»
Erst nach der Blütezeit
Matti kam der ersten Forderung seines Nachbars am Anfang des Jahrs deshalb nicht nach und liess seine Sträucher stehen. Seine erste Drohung machte der Nachbar zwar nicht wahr, im April sei dann aber ein Schreiben eingetroffen – diesmal direkt von der Verwaltung. Matti müsse seine Sträucher sobald wie möglich zurückschneiden.
Der zuständigen Verwalterin versprach er: «Im Herbst, nach der Blütezeit, bin ich bereit, die Sträucher zu schneiden.» Dieses Angebot habe der Nachbar aber nicht akzeptiert, weshalb er sich wieder an die Verwaltung gewendet habe – diesmal mit Unterstützung einer weiteren Nachbarin, die sich ebenfalls an den Sträuchern stört. Jetzt sollen diese innert vier Wochen, während der Blütezeit, geschnitten werden.
Mittlerweile hat Matti einen Gärtner für Ende Mai aufgeboten. «In einem Monat ist der Flieder wahrscheinlich sowieso verblüht. Dann kann dieser zurückgeschnitten werden. Der Goldregen blüht aber etwas später und kann deshalb erst nach seiner Blütezeit geschnitten werden.»
Der 67-Jährige steht hinter seinem Vorhaben, obwohl er das Reglement kennt. «Mir ist klar, dass das Gesetz nicht auf meiner Seite steht», sagt er. Trotzdem verstehe er das Problem nicht. «Zwischen meinem und dem Garten meines Nachbarn liegen nochmals zwei grosse Parzellen. Die Sträucher sind weder auf seinem Grundstück noch in seinem Sichtfeld.»
Matti wolle seinem Nachbarn zwar nichts Böses. «Aber ein bisschen mehr Verständnis und Weitsicht wären auch schön», sagt er. Wenn nötig, stelle er sich auch einem Verfahren oder gehe mit zum Friedensrichter. «Mir geht es schliesslich nur um die Natur», sagt Matti.
Trotzdem sei der Nachbarschaftsstreit zu einem ständigen Begleiter geworden. Als Delegierter der Nachbarschaft müsse er immer wieder Streitigkeiten lösen, sagt Matti. «Jetzt sind es halt die Sträucher. Man findet hier immer etwas, worüber man sich streiten kann», meint er. «Vielleicht hat unser Nachbar mich auch einfach auf dem Kieker.»
Mattis Nachbar war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.