Daniel Kreiner achtet gar nicht drauf, wer den ehemaligen Sportplatz Tüwis betritt. Der Natur- und Umweltfachmann ist abgelenkt von dem, was er durch seinen Feldstecher sieht. Er löst sich dann doch kurz, begrüsst rasch die Fällander Gemeinderätin Rita Niederöst (SP) und deutet ihr aufgeregt: «Schau mal, siehst du die zwei Vögel dort drüben?» Das sei ein Pärchen Braunkehlchen – eine seltene Spezies.
Der Naturschutzbeauftragte setzt für die Gemeinde Fällanden zusammen mit der Naturschutzkommission das Biodiversitätsprojekt Tüfwis um. Für ihn sind die beiden gefiederten Besucher ein Zeichen, dass die ökologische Aufwertung auf dem Areal auf gutem Weg ist.
Das sieht auch Niederöst so, auch wenn sie etwas enttäuscht eine gepflanzte Jungeiche ansieht, die etwa gleich hoch ist wie sie. «Wie die ausgewachsen aussieht, werde ich zwar nicht mehr erleben. Aber in 80 Jahren wird hier eine schöne grosse Eiche stehen.» Es gehe ja im Grunde darum über die eigene Generation hinauszudenken. Als Ressortvorsteherin Hochbau und Liegenschaften ist Niederösts Abteilung auch für den Naturschutz zuständig.
Kröte und Frosch
Im Moment braucht es in der Tat ein bisschen Phantasie, um sich vorzustellen, wie das Gebiet einst aussehen wird. Statt sattem Grün überwiegt hier Erdbraun. Ein grosses Wasserloch wirkt mehr zufällig entstanden als beabsichtig konstruiert. Dass letzteres zutrifft, davon zeugt der tonnenschwere Bagger daneben, der für den Aushub des Teichs gebraucht wurde.
Eine wechselfeuchte Mulde sei das, sagt Kreiner. «In Sommer wird sie ausgetrocknet sein.» Dennoch geht er davon aus, dass hier mit dem Teich Amphibien einen Lebensraum finden. Wie etwa der Grasfrosch oder die Erdkröte, die von Ende Februar bis April laichen. «Die brauchen das Wasser ja nur zur Vermehrung.» Etwa 95 Zentimeter tief soll das Gewässer sein, wenn der Pegel ganz oben ist.
Oft war der Rasen derart unter Wasser, dass wir den Ball nur köpfeln konnten.
Rita Niederöst (SP), Gemeinderätin
Das Tüfwis liegt mitten in einer Riedlandschaft, entsprechend feucht ist der Boden. Für den Geschmack der Gemeinde Fällanden dürfte es hier sogar noch nasser sein, wie Kreiner erläutert. Denn eigentlich hätten die Behörden die unterirdischen Drainagen entfernen wollen, die einst für die Entwässerung im Boden gebaut wurden. «Der Kanton wollte dies allerdings nicht, weil damit eine Fruchtfolgeflächen verloren ginge.» Der Kanton definiert solche Gebiete, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Dass damit dieses Projekt Gefahr läuft, einem Ackerboden weichen zu müssen, hält Kreiner allerdings für unwahrscheinlich.
Auch mit Entwässerung stand das Wasser in dem Gebiet oft sehr hoch, wie Rita Niederöst weiss: «Ich habe hier früher mit meinen Kindern Fussball gespielt. Doch oft war der Rasen derart unter Wasser, dass wir mit einem Schlauchboot über die Wiese gepaddelt sind.»
Hecken und ein weiterer Vogel
Was früher Rasen war, soll bald einer artenreichen, wechselfeuchten Naturwiese weichen, die angesät wird. Etwas weiter sind schon die Pflanzen am Rand des Terrains, wo der Spazierweg gleich neben der Glatt verläuft. Obwohl sie noch ganz klein sind, weiss Kreiner genau, was da wächst: Wolliger Schneeball, Kreuzdorn, Pfaffenhütchen, Reifweide, Weinrose ... Man kommt nicht mit, wenn er die Liste auswendig aufzählt.
Er unterbricht sich dann selbst, um einen weit entfernten Vogel mit dem Feldstecher zu beobachten. «Ein Gartenrotschwanz. Hei, das freut mich jetzt riesig», sagt Kreiner. «Siehst du, er sitzt genau auf dem Asthaufen, den wir extra in die Hecke eingebaut haben.» Auch diese Vogelart sei inzwischen nur noch selten zu beobachten.
Neben den Veränderungen für die Natur bleibt aber mindestens eine Erinnerung an den ehemaligen Fussballrasen bestehen. Das Clubhaus soll bleiben, allerdings nicht mehr als Garderobe für Fussballer, sondern als Unterkunft für Fledermäuse. Das Gebäude ist schon seit mehreren Jahren für Menschen verriegelt und soll es auch bleiben. Zusätzlich sind vor dem Häuschen Sitzgelegenheiten und Infotafeln geplant. Alle Änderungen will die Gemeinde bis im Herbst abgeschlossen haben.
Gemeindeversammlung als Startschuss
Basis für das Projekt ist die Einzelinitiative «Zum Schutz der Artenvielfalt – Rettet die Bienen», die an der Gemeindeversammlung 2020 angenommen wurde. 250'000 Franken hat der Souverän damals für eine Verbesserung der Biodiversität gesprochen. Für die rund 7000 Quadratmeter grosse Fläche des ehemaligen Sportplatzes Tüfwis sind 85'000 Franken vorgesehen, allerdings trägt die Gemeinde nur gerade 25'000 Franken der Kosten. Der Rest finanziert das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich über einen Fonds. Allerdings wäre der Betrag ohne die Freiwilligenarbeit des Naturschutzvereins, der mit Helferinnen und Helfer Hecken gepflanzt hat, um einiges höher ausgefallen.