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Mann mit Brille steht auf einer Leiter.

Raymond König hatte eine Ampel in Dübendorf zur Herzliampel umgestaltet – bis die Kantonspolizei ihn anwies, zurück zur regulären Anzeige zu wechseln. Foto: Urs Jaudas

Kreativ auf dem Tiefbauamt

Er gestaltet Ampeln und Zebrastreifen um, bis die Kapo kommt

Raymond König, der Leiter des Tiefbauamts Dübendorf, hat mit halblegalen Strassensignalen für Aufsehen gesorgt. Sein Team hat noch weitere Ideen auf Lager.

Raymond König hatte eine Ampel in Dübendorf zur Herzliampel umgestaltet – bis die Kantonspolizei ihn anwies, zurück zur regulären Anzeige zu wechseln. Foto: Urs Jaudas

Veröffentlicht am: 09.05.2023 – 10.15 Uhr

«Ich will weder der Kantonspolizei noch der politischen Führung der Stadt Böses», sagt Raymond König. Der Leiter des Tiefbauamts weiss, welche Regeln in seinem Metier gelten, und trägt mit seiner Funktion viel Verantwortung.

Dennoch wurde er schon mehrmals von der Polizei zurechtgewiesen, weil er halblegale Strassensignale angebracht hatte. König sitzt in einem Sitzungszimmer des Stadthauses in Dübendorf, durch die grosse Fensterfront sieht man hinunter auf die Strasse und zu einer Fussgängerampel. Vor vier Monaten haben an dieser Ampel noch Herzen anstelle der Männchen geleuchtet.

Herzliampel, Schulweg-Schilder und 3-D-Zebrastreifen

Mit seiner Herzliampel hat der 53-Jährige Anfang Januar den Blick der Öffentlichkeit und den Unmut der Kantonspolizei auf sich gezogen. Einen Monat lang gab es die Herzen, dann teilte die Kapo König mit, auf der Fussgängerampel müssten wieder Männchen zu sehen sein – Herzen entsprächen nicht dem Gesetz.

Weil mit dem Vorfall alle Augen auf Dübendorfs Signale im Strassenverkehr gerichtet waren, wurde die Polizei bald auf einen anderen Regelbruch aufmerksam gemacht: An einer Stelle stand seit 2021 ein inoffizielles «Achtung Schulweg»-Schild.

Auch dieses musste abmontiert werden. Und gerade als man den «walk on the wild side» vom Leiter des Tiefbauamts zu vergessen begann, machte eine weitere Kreation auf Dübendorfer Asphalt von sich reden: Einem neuen Zebrastreifen war mit zusätzlichen Klebestreifen ein 3-D-Effekt verliehen worden.

Die Überlebensdauer des Fussgängerstreifens betrug zwei Tage. Dann forderte die Kantonspolizei, dass die optische Täuschung entfernt wird.

«Der Tiefbau ist ein relativ enges Korsett»

«Mir sind die Regeln im Tiefbau durchaus wichtig», sagt Raymond König. Denn vielerorts sorgen sie dafür, dass die Verkehrssicherheit garantiert ist – und Letzteres ist für König das oberste Gebot.

Seit sieben Jahren ist er Leiter des Dübendorfer Tiefbauamts, wohnen tut er im Zürcher Unterland. Schon sein ganzes Berufsleben lang beschäftigt sich der 53-Jährige mit der Gestaltung des Strassenraums. «Bei uns gibt es sehr viele Normen, ein relativ enges Korsett», sagt König.

Dennoch existieren Graubereiche – und die möchte er nutzen. Neue Entwicklungen im Strassenverkehr und in der Gesellschaft erfordern neue Lösungen, ist er überzeugt: «Ich sage häufig: Wir planen heute die Strassen von morgen mit den Vorschriften von gestern.» 

Darum hat Raymond König in Eigeninitiative den 3-D-Zebrastreifen anbringen lassen. Über eine lange und breite Strasse führt der Schulweg vieler Kinder. Damit der neu angebrachte Zebrastreifen auffällt und die Leute wirklich das Fahrtempo drosseln, wollte König eine ungewohnte Lösung testen, die er so schon in den Ferien in Island gesehen hatte: den 3-D-Effekt mittels zusätzlicher Klebestreifen.

«Als wirs in Dübendorf ausprobiert haben, habe ich dann selbst eingesehen, dass der Zebrastreifen eher verwirrte und folglich die gewünschte Funktion nicht erfüllte», sagt König. Aber so sei das eben mit Tests: Einige glücken, andere nicht.

Das Tiefbauamt hat viele Komplimente bekommen

Auch die Herzliampel hat Raymond König erstmals in Island gesehen. «Als meine Familie und ich bei einer Autoampel die Leuchtanzeige in Herzform sahen, hat das viel Freude ausgelöst», erinnert er sich. Diese positiven Gefühle wollte er auch in Dübendorf auslösen, besonders in der tristen Winterzeit – und war erfolgreich.

«Normalerweise wird das Tiefbauamt eher mit Unangenehmem in Verbindung gebracht, mit Baulärm und Umleitungen», sagt König. Für die Herzliampel aber bekam er viele Komplimente. Wie sehr die Ampel den Leuten im Dezember ans Herz gewachsen war, zeigte sich besonders, als König die Herzschablonen wieder abmontieren musste.

«Während ich die Symbole austauschte, hat mich einer fast von der Leiter geschüttelt, so sehr wollte er, dass die Herzen bleiben», sagt König.

Sein Team hat weitere Ideen in petto

Seine Ideen hatte Raymond König vorab nicht mit der Polizei abgesprochen. Den guten Beziehungen zur Kantonspolizei hat das aber nicht geschadet. «Sie machen einfach ihren Job, und die Kapo sieht die Regeln halt schwarz-weiss und nicht grau wie ich», sagt Raymond König.

«Aber persönlich finden sie es vermutlich auch nicht so schlimm.» Die Kantonspolizei kommentiert ihr Verhältnis zu Raymond König nicht. 

Noch haben der Leiter des Tiefbauamts und sein Team weitere Ideen in petto. Inzwischen lässt nicht nur er sich beim Reisen inspirieren, sondern auch seine Mitarbeitenden. «Es kommen immer wieder Vorschläge, die wir miteinander diskutieren», sagt König.

Die gestalterische Freiheit, die er sich herausnimmt, mache nicht nur den Alltag der Bevölkerung, sondern auch jenen seines Teams etwas bunter. Die Lernende beispielsweise habe gerade mitgeholfen, ein Konzept für eine vollkommen legale Aktion zu erstellen: Sticker für die öffentlichen Abfalleimer, die mit lustigen Sprüchen gegen Littering ankämpfen.

Die Anwohnerinnen und Anwohner Dübendorfs sind auf die nächste Aktion des städtischen Tiefbauamts gespannt. «Letztens wollte jemand wissen, was als Nächstes kommt», erzählt König. «Als ich geschwiegen habe, hat er gefragt, ob er in Island nachschauen gehen soll.» König lacht.

Geantwortet hat er damals: «Ja, unter anderem.»

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