Erwin Landheers Laune ist blendend. Der Wetziker sitzt in seinem Rollstuhl auf dem Flugplatz Dübendorf und schielt beim Gespräch am Sonntagmorgen immer mal wieder auf die Honda Goldwing mit Seitenwagen. «Wenn er damit Vollgas gibt, dann fägets bestimmt.»
Mit «er» meint der 58-Jährige den Motorradbesitzer, der ihn auf dem sogenannten Ride Out fahren wird. Noch haben sie sich allerdings nicht kennengelernt.
Den beiden und den vielen anderen Bikern mit Mitfahrenden steht ein 60 Kilometer langer Ausflug durch das Zürcher Unter- und Oberland bevor. Es ist eines von mehreren Programmpunkten der Benefizveranstaltung Love Ride zugunsten von Menschen mit einer Muskelkrankheit oder Beeinträchtigung (siehe Box).
Eine tolle Maschine, aber…
Für Erwin Landheer ist die Ausfahrt das Grösste an diesem Tag. Zum vierten Mal ist er schon dabei. Und wieder äugt er auf die weinrot glänzenden Maschine zu seiner Linken hinüber. «Eine tolle Maschine», sagt er, gibt aber zu: «Eigentlich war die himmelblaue da vorne meine erste Wahl.» Doch an dieser hängt schon ein oranger Luftballon, was bedeutet, dass jemand schneller war und sich die Maschine reserviert hat.
Wir sind im Gegensatz zu anderen mit bester Gesundheit gesegnet.
Heiko Zeyer, Biker aus Deutschland
Beifahrer wie Landheer wählen sich die Maschinen nämlich selber aus. Unterstützt werden sie dabei von einer der zahlreichen Helferinnen, die das herumstehende Bike mit einem Ballon oder im Fall des Wetzikers mit einem Zettel markiert. «Erwin» schreibt seine Helferin darauf, schwätzt noch ein Weilchen mit ihm und sagt dann: «Tschüss, Erwin, viel Spass bei der Fahrt.»
Vreni gesucht
Während Erwin Landheer noch auf den Eigentümer der Honda wartet, wartet Heiko Zeyer aus Baden-Württemberg noch auf seine Vreni. Sein Trike – ein Motorrad mit drei Rädern – ist schon mal mit dem Namen der Frau angeschrieben.
Bilanz des diesjährigen «Love Ride»
Das Ziel vom «Love Ride» ist es, Geld für muskelkranke und beeinträchtigte Menschen zu sammeln. Gemäss ersten Berechnungen der Organisatoren dürfte die Spendensumme diesmal bei über 200‘000 Franken liegen. Damit werden wohl dieses Jahr weniger Spenden zusammenkommen als im letzten. Damals lag die erste Schätzung bei 300'000 Franken. Die Veranstalter zeigen sich in einer Medienmitteilung dennoch zufrieden: «Das ist ein tolles Ergebnis.»
Zudem seien heuer über 3500 Motorräder und über 6000 Besucherinnen und Besucher beim «Love Ride» gewesen.
Für den deutschen Hünen ist es selbstverständlich, dass er an der 31. Ausgabe des Anlasses teilnimmt. «Seit es den Love Ride gibt, bin ich dabei.»
Meist komme er mit ein paar Kumpels hierher. «Wir sind im Gegensatz zu anderen mit bester Gesundheit gesegnet. Da ist ja nicht zu viel verlangt, unseren Beifahrerinnen und Beifahrern mit Beeinträchtigungen eine kleine Freude zu bereiten», sagt Zeyer.
Endlich vereint
Mittlerweile ist der Fahrer von Erwin Landheer bei seiner Maschine. Es ist Mathias Volkart aus dem aargauischen Stein. Er habe eigentlich noch ein zweites Gespann, sagt er. Eines mit überdachtem Seitenwagen, das besser für den Regen geeignet wäre. Doch diesbezüglich sehe es heute ja gut aus. Noch nicht zu Gesicht bekommen habe er allerdings seinen Mitfahrer Erwin.
Von uns aus kanns losgehen.
Erwin Landheer, Mitfahrer aus Wetzikon
Dieser steuert plötzlich aus der Menschenmasse auf ihn zu: «Hoi, ich bin Erwin. Darf ich heute mit dir mitfahren?» Die beiden grinsen und begrüssen sich mit einem Handschlag wie alte Kumpels. Volkart hievt Erwin Landheer mit Hilfe einer Betreuerin in den Seitenwagen.
Bevor der Motorradpulk losfahren kann, dauert es noch ein bisschen. Punkt 11 Uhr starten die beiden in der ersten Gruppe. Landheer lässt keine Zweifel aufkommen, dass er parat ist: «Von uns aus kanns losgehen.»
Unfall am «Love Ride»
Überschattet wurde die Benefizveranstaltung am Sonntagmittag durch einen Unfall mit Verletzten in der Gemeinde Wangen-Brüttisellen. Offenbar ist auf der Zürichstrasse ein Auto mit einem dreirädrigen Motorrad zusammengestossen. Laut Kantonspolizei Zürich hat sich durch den Aufprall der 54-jährige Töfffahrer schwer verletzt und musste mit einem Rettungshelikopter in ein Spital geflogen werden. Die beiden Beifahrerinnen im Seitenwagen sowie der 68-jährige Autolenker wurden leicht bis mittelschwer verletzt. Sie wurden mit Rettungswagen ins Spital gebracht.