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Frau referiert.

Lebensberaterin Nicole Neyer hält das Referat «Grenzen setzen – Grenzen achten» am Frauezmorge in Volketswil. Foto: PD

Was Frauen schwerfällt

«Oft fürchten wir die Konsequenzen eines Neins»

In einem Coaching in Volketswil bringt Nicole Neyer Frauen bei, wie man richtig Nein sagt. Im Interview verrät sie, warum manche Menschen mehr damit ringen als andere.

Lebensberaterin Nicole Neyer hält das Referat «Grenzen setzen – Grenzen achten» am Frauezmorge in Volketswil. Foto: PD

Veröffentlicht am: 05.05.2023 – 08.04 Uhr

Grenzen setzen und achten: eine Herausforderung, die manchen Frauen Probleme bereitet. Traumatherapeutin, Coach und Supervisorin Nicole Neyer will Abhilfe schaffen. Die 53-Jährige aus Oetwil am See coacht am kommenden Dienstag Frauen beim Frauezmorge in Volketswil und zeigt, wie man richtig Nein sagt.

Frau Neyer, Nein sagen, das kann doch jeder. Wieso ist es manchmal trotzdem schwer?

Nicole Neyer: Ein Nein bedeutet, dass man etwas ablehnt oder sich zurückzieht. Beides könnte das Gegenüber verletzen. Hinter einem Nein sehen wir selten etwas Positives. Oft fürchten wir Konsequenzen.

Woran liegt es, dass manche besser Grenzen setzen können als andere?

Die grösste Schwierigkeit besteht darin, eine gewisse Selbstachtung zu lernen. Man muss sich selbst den gleichen Wert geben wie dem Gegenüber. Meine Bedürfnisse sind gleich wichtig wie deine. Wenn einem das gelingt, dann kann man auch gesunde Grenzen setzen. Menschen ohne gesundes Selbstwertgefühl haben tendenziell mehr Probleme mit dem Grenzensetzen.

Können Männer und Frauen gleich gut Nein sagen?

Nein, Frauen fällt es meistens schwerer, Grenzen zu setzen. Sie befürchten eher, dass ein Nein der Beziehung schadet. Dabei ist es meistens egal, ob es die Beziehung zum Partner, Nachbar, Kind oder Arbeitskollegen ist.

Alte Frauen sitzen an grossen Tischen und frühstücken.
Für den Frauezmorge in Volketswil haben sich rund 40 Personen angemeldet. Ein Grossteil davon ist über 70 Jahre alt. Foto: PD

Woher kommt das?

Grundsätzlich sind Frauen die beziehungsorientierteren Wesen, Männer sind eher sachorientiert. Evolutiv betrachtet waren Frauen immer schon dafür verantwortlich, ein wohliges Zuhause zu schaffen. Und dieses ist eben stark davon abhängig, wie Beziehungen gelebt werden und wie man kommuniziert.

Und weshalb führt das zu Problemen?

Oft vergisst man dabei sich selbst. Tief angelegte Ängste vor Verlust oder Ablehnung sorgen dafür, dass man dann eher zurücksteckt, um es den anderen recht zu machen, statt für sich selber einzustehen. Diese Verhaltensweisen und Automatismen lösen Frust aus, der im schlimmsten Fall zu einem Burn-out führen kann.

Nachhaltige Veränderung ist deshalb nicht ganz so einfach.

Wie findet man heraus, wo die eigenen Grenzen liegen und welche Verhaltensmuster schädlich sind?

Wir entdecken unsere Grenzen dann, wenn wir den Automatismus hinterfragen. Indem man eine direkte Antwort hinauszögert, hat man Zeit, sich selber zu fragen, was man wirklich will oder eben nicht. So findet man seine Grenzen relativ schnell.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Bei gestressten Müttern ist zum Beispiel die Toilette eine gute Möglichkeit. Einfach kurz verschwinden, innehalten und sich fragen: Wieso nervt mich die Situation? Was würde ich lieber machen? Was fürchte ich zu verlieren? Was wäre allenfalls ein Gewinn? Und dann ganz bewusst reagieren.

Ein Gang zur Toilette … Ganz so einfach ist es aber nicht, oder?

Meistens nicht, nein. Das Gehirn ist so programmiert, dass es zu jeder Zeit auf Sparmodus ist. An alte Muster ist es sich gewöhnt, weshalb diese weniger Energie brauchen. Bis sich das Gehirn an neue Verhaltensmuster gewöhnt hat, sind diese enorm anstrengend. Nachhaltige Veränderung ist deshalb nicht ganz so einfach.

Die ganze Missbrauchsthematik kommt davon, dass Grenzen nicht respektiert und überschritten werden.

Kann man üben, Grenzen zu setzen?

Ja, dazu bieten sich beispielsweise Arbeitskollegen oder Nachbarn an. Interessanterweise ist es nämlich schwieriger, Veränderungen in engen Beziehungen durchzusetzen.

Weshalb?

Eine Familie ist wie ein Uhrwerk. Es sind eingeübte Muster vorhanden, und wenn man etwas ändert, beginnt das System plötzlich zu stocken. Das wird nicht immer goutiert.

In Ihrem Referat sprechen Sie auch über das richtige Achten von Grenzen. Was heisst das konkret?

Zuerst geht es darum, seine eigenen Grenzen anzuerkennen. Und dann soll man natürlich auch die Grenzen anderer respektieren und sie nicht ausnutzen. Ein Nein muss genauso akzeptiert werden wie ein Ja. Die ganze Missbrauchsthematik kommt davon, dass Grenzen nicht respektiert und überschritten werden.

Sie sind unter anderem Coach und Traumatherapeutin. Weshalb kommen Frauen hauptsächlich zu Ihnen?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt solche, die bereits in einer Lebenskrise stecken. Das können beispielsweise Probleme mit Mobbing, dem Job oder Beziehungen sein. Andere merken auf psychosomatischer Ebene, dass es ihnen nicht mehr gut geht, und möchten herausfinden, was nicht stimmt. Gemeinsam finden wir dann heraus, wo Grenzen sind und wann sie ungewollt überschritten werden.

Und was erwartet die Besucherinnen am Frauezmorge?

Ich halte ein interaktives Referat mit sehr vielen praktischen Beispielen. Da darf man auch gerne eigene Beispiele einbringen oder Fragen stellen. Falls das nicht reichen sollte, biete ich Kursabende oder längere Programme an, wo wir konkret eigene Themen behandeln und viele Übungen und Rollenspiele machen. Dabei lernen die Besucherinnen ein erstes Mal, ihre Grenzen tatsächlich zu kommunizieren.

Am Dienstag, 9. Mai, organisiert die Reformierte Kirche Volketswil den Frauezmorge mit dem Thema «Grenzen setzen – Grenzen achten». Weitere Informationen zum Frauezmorge finden Sie hier.

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