Priska Lindenmann ist unzufrieden, was die Gemeinde Volketswil mit dem Dorfteil Gutenswil angestellt hat. So führte der Gemeinderat im letzten Dezember Tempo 20 anstelle von Tempo 50 auf der Dorf-, Lendisbühl-, Alten Schulhausstrasse und dem Verbindungsweg zur Winterthurerstrasse ein. Weil damit ein Parkverbot ausgesprochen wurde, hat die 38-jährige Hofladen-Besitzerin Lindenmann nun ein Problem: «Meine Kunden bleiben aus Angst vor einer Busse weg.»
Nach der Einführung dieser Begegnungszone sei die Gemeindepolizei öfters in der Gegend präsent gewesen und habe mit Flyern auf das nun geltende Parkverbot aufmerksam gemacht.
«Dadurch ist der Umsatz in meinem Hofladen um die Hälfte eingebrochen. Ich bin besorgt, dass ich so im Sommer meine frischen Früchte und Beeren nicht mehr verkaufen kann.»
Deswegen hat Priska Lindenmann zusammen mit Floristin Claudia Hirt, die ihren Laden im gleichen Gebäude führt, Unterschriften gegen die 20er-Zone gesammelt. Sie fordert mit dem Schreiben den Gemeinderat auf, Tempo 30 statt 20 einzuführen. Davon erhoffen sich die Ladenbetreiberinnen eine Rückkehr zum freien Parkieren auf dem Dorfplatz, weil in dies in einer 30er-Zone grundsätzlich erlaubt ist.
Vom Volg zurückgepfiffen
Auch im Volg lagen die Unterschriftenbögen auf. Allerdings wurde die Aktion vom Hauptsitz in Winterthur gestoppt, wie Mediensprecherin Tamara Scheibli auf Anfrage bestätigt. Volg habe nichts von dieser Unterschriftensammlung gewusst und engagiere sich auch nicht politisch.
Dennoch hat Lindenmann laut eigenen Angaben über 240 Unterschriften zusammen, die sie letzte Woche am Gemeindehausschalter abgegeben habe. Die Mehrheit der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner kämen aus Gutenswil selber.
Einer von ihnen ist Heinz Bertschinger. Bis jetzt habe man sein Auto für einen Einkauf im Volg einfach schnell auf dem Dorfplatz stehen lassen, sagt er. «Das hat immer funktioniert und niemanden gestört.» Er sei zwar selber nicht auf einen Parkplatz angewiesen, da er nicht weit weg wohne.
Wir haben schon die Post und die Bushaltestelle verloren, einen Grund für Begegnungen gibt es hier kaum noch.
Adolf Schneider,
Anwohner
Dass nun dieser Teil von Gutenswil zur Begegnungszone geworden ist, sei aber schlicht deplatziert. Für eine echte Zone für Begegnungen fehlten Elemente wie etwa ein Brunnen oder eine schöne Sitzgelegenheit, die einen Aufenthalt auch attraktiv machten. Viel besser sei Gutenswil – wie etwa auf dem Abschnitt Im Amt – mit Tempo 30 bedient, wo ein grundsätzliches Parkverbot fehle.
Begegnungszone ohne Begegnung
Auch der 76-jährige Adolf Schneider hält nichts von der geschaffenen Begegnungszone, die in Gutenswil nur ein «schöngefärbtes Schlagwort» sei. «Wir haben schon die Post und die Bushaltestelle verloren, einen Grund für Begegnungen gibt es hier kaum noch.» Auch Kinder, die eigentlich vom Fussgängervortritt in der Tempo-20-Zone profitieren würden, lebten hier praktisch keine.
Meiner Abteilung sind darauf keinerlei Reaktionen aus der Öffentlichkeit zugetragen worden.
Karin Ayar (parteilos),
Gemeinderätin Volketswil
Er habe den Umsatzrückgang für die Ladenbesitzer schon im Vorfeld kommen sehen. «Wer einmal eine Busse wegen Falschparkens erhält, kommt mit Sicherheit nicht mehr hierher.» Deswegen hat Schneider letzte Woche dem Gemeinderat einen offenen Brief übergeben mit der Bitte, die Begegnungszone aufzuheben.
Gemeinderätin erstaunt
Bauvorsteherin Karin Ayar (parteilos) bestätigt den Eingang des offenen Briefs und der Petition. Sie erinnert daran, dass die Geschwindigkeitsreduktion ein lang gehegter Wunsch des Dorfvereins Gutenswil gewesen sei, der diese mit möglichst wenig baulichen Massnahmen verwirklicht haben wollte.
«Ich bin über den Aufruhr erstaunt», sagt Ayar. Zumal die Gemeinde über den Dorfverein und ihr amtliches Publikationsorgan auf die Begegnungszone hingewiesen habe. «Meiner Abteilung sind darauf keinerlei Reaktionen aus der Öffentlichkeit zugetragen worden.» Sie betont zudem, dass es sich bei der Begegnungszone um ein Pilotprojekt handle und dies auch immer so kommuniziert worden sei. Die Erfahrungen dazu würden gesammelt und im Herbst «sorgfältig» ausgewertet.
Einen Wechsel zu Tempo 30 sieht sie kritisch. Damit würde die Sicherheit der Fussgänger leiden, weil die im Gegensatz zur heutigen Begegnungszone keinen Vortritt mehr hätten. Um die Fussgänger dann zu schützen, müsste über den Bau eines Trottoirs diskutiert werden. «So oder so gehört aber das bisher übliche Wildparkieren nicht auf einen Dorfplatz.»
Dies mindere die Aufenthaltsqualität und sei für die Fussgänger gefährlich – ganz besonders für die jüngsten. Hinsichtlich der gemeldeten Parkplatzproblematik sei die Abteilung Sicherheit derzeit am Prüfen, ob zusätzliche Parkfelder auf dem Dorfplatz markiert werden können.
Konsternierter Dorfverein
Auch Heinz Petrig, Präsident des Dorfvereins Gutenswil, tut sich schwer mit der Opposition gegen das jetzige Verkehrsregime. Nachdem der Verein sich jahrelang für eine Verbesserung der Sicherheit und eine Verhinderung des Schleichverkehrs in Gutenswil engagiert habe, verkompliziere dies die Situation nun wieder.
Zwar wäre auch er mit Tempo 30 zufrieden. Doch Anwohner hätten dem Verein stets klargemacht, dass sie gegen bauliche Massnahmen sind, die ein Hindernis in den engen Strassen darstellten. «Deswegen habe ich mit dem jetzigen Widerstand meine Mühe.»
Hofladen-Besitzerin Lindenmann wiederum ist überzeugt, dass Tempo 30 die Parksituation entlasten würde. Vor dem Hofladen dürften die Kunden wieder am Strassenrand parkieren. «Das stört den Verkehr überhaupt nicht.»
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