Normalerweise bin ich kein Fan von Esoterik oder «Gspürsch-mi, fühlsch-mi»-Sachen. An diesem Mittwochmorgen lasse ich mir trotzdem 30 Minuten lang meine negativen Energien wegschwingen.
Vor, neben und hinter mir stehen zehn goldene Klangschalen. Kleine und grosse, schwere und leichte. Ich bin in einem kleinen Raum und liege auf einer türkisblauen Massageliege, den Kopf tief in ein Kissen eingegraben. Es riecht süsslich – Räucherstäbchen?
Silvia Huber, Inhaberin der «Omklang» Praxis in Schwerzenbach, hält einige Klangschalen über mich, andere legt sie auf meinen Rücken, meine Füsse oder Schultern. Mit einem Schlägel bringt sie die Schalen zum Schwingen. Abgesehen von den beruhigenden Tönen ist es still im Zimmer.
Was ist eine Klangschalentherapie?
Die wohl bekannteste Anwendung der Klangschalentherapie ist die Klangmassage. Sie dient als präventive Methode, um die Gesundheit zu fördern. Bei einer Klangmassage werden die Klangschalen individuell ausgewählt und spezifisch den Bedürfnissen auf und um den bekleideten Körper positioniert und angeklungen.
In der indischen Heilkunst ist die Wirkung von Klängen schon mehrere Jahrtausende bekannt. So man die Klangmassage heute im Westen kennt, hat sie Peter Hess 1984, basierend auf seinen Erfahrungen in Nepal, entwickelt.
Klangschalen statt Zahlen
Seit November letzten Jahres bietet Huber solche Klangschalenmassagen in ihrer eigenen Praxis an. Vorher war sie Leiterin im Rechnungswesen. «Irgendwann hat es einfach nicht mehr gepasst», sagt die Dübendorferin.
«Ich war mehrheitlich auf Materielles fokussiert. Das hat mich nicht mehr glücklich gemacht.» Seit sechs Jahren ist Huber darum schon auf ihrem Weg der Selbsterkenntnis. «Wer bin ich und was möchte ich im Leben noch machen?»
Mit 57 Jahren stieg Huber deshalb aus ihrem Job aus und liess das sichere, regelmässige Einkommen hinter sich. Per Zufall entdeckte sie ein Inserat über Klangschalen. «Ich wusste sofort, dass es das ist, was ich machen möchte», erzählt sie. «Die Klangschalen sind mir förmlich zugeflogen. Ich kann es auch nicht erklären.»
Spirituell sei sie aber nicht immer gewesen, sagt Huber. «Der Zugang zu mir selbst habe ich erst mit dem Glauben an ein höheres Bewusstsein gefunden.» Alles sei Energie, deshalb wirke die Klangschalen-Therapie auch. Mehr kann sie zur Wirkungsweise aber nicht sagen.
Im Sommer 2022 schloss sie ihre Klangschalen-Ausbildung ab und betreute schnell darauf die ersten eigenen Kunden. So wie mich jetzt.
Die Vibrationen der Klangschalen spüre ich durchaus. Ob diese auch etwas in meinem Körper auslösen? Huber verspricht mir einiges. «Es kann gut sein, dass du viel besser schläfst, dein Stoffwechsel oder deine Verdauung angeregt werden.» Auch bei Menstruationsbeschwerden oder Kommunikationsproblemen sollen die goldenen Schalen helfen.
Von der Wirkung der Klangschalen ist Huber zwar überzeugt. «Trotzdem gab es zu Beginn auch viele Zweifel und Existenzängste», sagt sie. Diese versuche sie aber mit Meditation oder Energiearbeit loszulassen.
Auch aus ihrem Umfeld sei sie mit Zweifel konfrontiert worden. Ihre Partnerin habe lange nicht verstanden, wieso sie ihre Sicherheiten aufgeben will. «Mittlerweile habe ich aber die volle Unterstützung von meinem Umfeld. Vom Rest habe ich mich distanziert.»
Wenn ich bis im Sommer nicht wirtschaftlich genug bin, werde ich Teilzeit wieder im Büro arbeiten.
Silvia Huber
Momentan gibt Huber sechs bis acht Massagen im Monat – ein Arbeitsaufwand von ungefähr 30 Prozent. Ihren Praxisraum teilt sie sich mit einer Kollegin. «Meine Fixkosten sind deshalb relativ tief. Trotzdem bin ich froh, wenn ich meine Ausgaben decken kann.»
Sie habe ein kleines Polster auf der Seite, davon lebe sie momentan. «Ich habe mir aber eine Deadline und ein Budget gesetzt», sagt sie. «Wenn ich bis im Sommer nicht wirtschaftlich genug bin, werde ich Teilzeit wieder im Büro arbeiten.»
Die Welt überzeugen
Wenn aber alles klappt – woran Huber fest glaubt – will sie zukünftig nicht nur in Schwerzenbach therapieren. «Am liebsten würde ich meine Massagen auch in Institutionen anbieten», sagt sie. Damit meine sie vor allem Wellnesscentren, Rehakliniken, Alters- oder Pflegeheime.
Sie will ihr Angebot breiter streuen. «Nicht nur um Geld zu verdienen, sondern um die Menschen mit meinen Klangschalen zu berühren.»
Während den 30 Minuten, in denen Huber jede ihrer Klangschalen einmal anschlägt, nicke ich fast ein. Entspannt bin ich danach auf jeden Fall.
Auch am Abend nach der Klangmassage habe ich sehr gut geschlafen. Ob das tatsächlich den Klangschalen zu verdanken war, weiss ich aber nicht. Vom Rest, den mir Huber versprochen hat, habe ich nämlich nicht viel gemerkt: Mein Stoffwechsel blieb unauffällig, und auch das Kommunizieren lief wie immer.
Trotzdem habe ich Hubers Praxis am Schluss mit einem guten Gefühl verlassen. Ist meine negative Energie also doch irgendwie verschwunden?
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