Die Finken standen bereit – schon Tage vor dem offiziellen Schulbeginn im neuen Bundesasylzentrum (BAZ). Seit Anfang Jahr nutzt das Staatssekretariat für Migration (SEM) den Dübendorfer Waffenplatz als temporäre Asylunterkunft. Seit März wird dort neu auch unterrichtet.
In insgesamt vier Aufnahmeklassen betreuen Lehrerinnen und Lehrer zwischen 60 und 70 Flüchtlingskinder. Aufgeteilt sind die Schülerinnen und Schüler in altersdurchmischten Klassen, jeweils eine für den Kindergarten, die Unter- sowie Mittel- und Sekundarstufe.
«Normalerweise hat man für die Organisation einer Aufnahmeklasse mehr Zeit. Wir mussten alles in anderthalb Monaten auf die Beine stellen», sagt Karin Zulliger, Leiterin Bildung der Primarschule Dübendorf. Sie führt die Schule gemeinsam mit Carmen Berger, der neuen Schulleiterin der Aufnahmeklassen im BAZ.
Kurzfristig und intensiv
Viel Vorlaufzeit hatten Zulliger und Berger nicht. «Man sagte uns noch in den Weihnachtsferien, dass es ab März eine Schule im BAZ Dübendorf geben wird», erzählt Zulliger. Da habe man noch nicht einmal gewusst, wo überhaupt Klassenzimmer verfügbar sind.
Die Primar- und Sekundarschule Dübendorf kamen nicht infrage, da diese bereits jetzt keine leeren Klassenzimmer mehr hätten. Andere Möglichkeiten wären weiter von der Asylunterkunft entfernt gewesen.
Mittlerweile werden die Kinder der asylsuchenden Eltern direkt in der Theodor-Real-Kaserne unterrichtet. «Das ist eine riesige Erleichterung. Wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, ist das Erklären eines Schulwegs keine einfache Aufgabe», meint Schulleiterin Berger.
Auch die Koordination sei eine Herausforderung gewesen. Das BAZ wird vom SEM geführt, die Schule muss nach kantonalen Vorgaben organisiert werden. Gleichzeitig gibt es in Dübendorf zwei verschiedene Schulgemeinden, eine für die Primar- und eine für die Sekundarstufe. «Das brauchte enge Absprachen», kommentiert Zulliger.
Viele Lehrpersonen wünschen sich mehr Zeit für die Kinder.
Karin Zulliger
Bildungsleiterin Dübendorf
Lehrpersonen und Klassenassistenzen hätten sich hingegen einfach finden lassen – trotz Fachkräftemangel. «Ich hätte genug Bewerbungen für 20 Klassen gehabt», so Zulliger.
Dass sich so viele auf den Job beworben haben, wundert die Bildungsleiterin nicht. «Viele Lehrpersonen wünschen sich mehr Zeit für die Kinder», sagt sie. Da im BAZ Elterngespräche und andere administrative Aufgaben wegfallen, könne man sich viel eher auf die Schüler konzentrieren.
Nicht für jeden etwas
Zulliger hat die Asyl-Aufnahmeklassen erst wenige Male besucht, Berger aber ist regelmässig im Klassenzimmer dabei. «Einzelne Kinder weinen, wenn sie am Nachmittag keine Schule haben», erzählt sie. Anders als erwartet, sei die Stimmung im Klassenzimmer aber nicht bedrückend. «Die Kinder sind alle motiviert und freuen sich, dass man sich mit ihnen beschäftigt.»
So sässen die Kinder manchmal bereits 15 Minuten vor Schulbeginn im Klassenzimmer. Sogar das tägliche Znüni sei ein Highlight. «Im geschützten Rahmen zusammen im Kreis sitzen, Früchte schneiden oder etwas lernen: Das kannten sie vorher gar nicht», sagt Berger.
Neben Deutsch lernen sie die Uhrzeit oder zeichnen das Wappen ihres Heimatlandes. «Wir bringen den Kindern nicht auf Teufel komm raus nur Deutsch bei», erklärt Berger. In den 140 Tagen, die die Kinder maximal im BAZ verbringen dürfen, stehe der Lehrplan sowieso nicht im Zentrum.
Sonst steht man diesen Job emotional nicht durch.
Carmen Berger
Schulleiterin
Trotz der oftmals guten Stimmung müssen Berger und ihre Lehrpersonen auch mit schwierigeren Situationen klarkommen. Die Kinder haben auf der Flucht teilweise traumatische Erlebnisse erfahren. Der Umgang mit diesen Geschichten sei für die Lehrpersonen eine Herausforderung.
«Man hat uns natürlich vorgewarnt und erzählt, wie die Situation im BAZ ist.» Trotzdem müsse man immer aufpassen, was man sage oder tue. «Vor allem darf man die Erlebnisse der Kinder aus den Klassen nicht mit nachhause nehmen», sagt Berger. «Sonst steht man diesen Job emotional nicht durch.»
Auf befristete Zeit
Berger fühlt sich in ihrer neuen Aufgabe aber wohl. «Ich habe das Schweizer Asylwesen nochmals ganz neu kennengelernt, und die Kinder geben so viel zurück.» Auch Zulliger ist zufrieden. «Wir haben in dieser kurzen Zeit Unglaubliches geschafft.»
Lange werden die beiden die Schule aber nicht leiten. Denn sowohl das Bundesasylzentrum, als auch die Asyl-Aufnahmeklassen sind auf Ende Juni befristet.
Berger und Zulliger glauben jedoch noch nicht an ein Ende. Zulliger sagt: «Die Flüchtlingsströme scheinen nicht weniger zu werden. Eine Verlängerung des BAZ wäre also nicht allzu weit hergeholt.»
Und so ist es durchaus möglich, dass die Schulkinder auch über den Sommer hinweg noch ihre Finken schön aneinander gereiht in der Kaserne parat legen.
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