nach oben

Anzeige

Lifestyle
Echtbild mit Illustration

Ein teures Geschenk für ein paar Stunden Arbeit. Illustration: Sascha Bacher

Sommerkrimi in vier Teilen (2/4)

«Diebisches Dübendorf» – 2. Die Sache mit dem Alibi

Im «Glattaler» feiern wir die schöne Tradition des mehrteiligen Sommerkrimis. Diese Woche lesen Sie Folge 2 der Fortsetzungsgeschichte «Diebisches Dübendorf» von Birgit Schlieper. Viel Spass!

Ein teures Geschenk für ein paar Stunden Arbeit. Illustration: Sascha Bacher

Veröffentlicht am: 16.08.2024 – 10.09 Uhr

Ziemlich geschafft lasse ich mich am nächsten Mittag auf meinem kleinen Balkon nieder. Ich habe den Vormittag für eine Velotour genutzt. Klar, eigentlich wollte ich mal wieder joggen gehen, aber Rad fahren liegt mir mehr und tut auch was für einen knackigen Po. Ich bin bis zum Greifensee geradelt, war dann noch ein Stündchen am Badeplatz in Fällanden und sogar einmal ganz kurz im ziemlich kalten Wasser und dann wieder nach Hause. Ich merke es ganz schön im Po und in den Waden. Als mein Handy summt, will ich erst nicht rangehen, aber vielleicht ist es ja meine Mutter. Wenn die mich nicht erreicht, macht sie sich spontan Sorgen. 

Es ist aber Anna.

Eine etwas kleinlaute Anna.

«Corinne, du kannst natürlich absagen. Das verstehe ich total. Aber mein Mann hat für heute Nachmittag mal wieder zu seiner blauen Stunde eingeladen, und irgendwie haben alle zugesagt. Es kommen fast 20 Leute zu uns. Könntest Du mir nicht ein bisschen helfen? Nachschenken und Teller abräumen und so. Ich habe Angst, dass ich das allein nicht schaffe.»

«Und was ist mit deinem Mann?»

«Mit Ulrich?»

«Ja. Wenn dein Mann so heisst.»

«Was soll mit dem sein?»

«Warum kann der nicht auch ein bisschen helfen? Oder ein paar fleissige Helfer engagieren?»

«Er will kein fremdes Personal im Haus haben. Und er selbst kümmert sich ja schon um die Gäste.»

«Wieso soll er auch fremdes Personal nehmen, wo er ja dich als Leibeigene hat, oder wie?»

«Corinne, bitte. Das klingt jetzt total altmodisch, ich weiss. Aber kannst du mir nicht den Gefallen tun. Ich fühle mich so unsicher.»

«Wann soll ich da sein?»

Als ich um kurz nach vier gerade an dem Bungalow klingeln will, wird das Tor schon von innen aufgerissen. Anna fliegt mir um den Hals. 

«Du bist die Beste. Ehrlich. Danke.»

Sie zieht mich zum Haus. Alles hier ist XL. Die Fenster, die Bodenvasen, die Sofas. Alles fett. Anna zeigt mir die Küche, wo sich in einem überdimensionalen Kühlschrank schon Platten unter feinen Häppchen biegen. In einem zweiten Kühlschrank stehen Weisswein, Wasser und Champagner. Als Anna die hohe Tür schliesst, steht plötzlich ein Mann vor mir. Das kann auf gar keinen Fall besagter Ulrich sein. Vielleicht der Gärtner oder ein Angestellter aus dem Autohaus. Der Typ hat blonde Haare, die sich hinten über den Kragen des Hemds locken. Der Pony fällt ihm leicht in die Augen, die mich blau-grau interessiert mustern. Unter dem enganliegenden Hemd zeichnen sich ziemlich viele Muskeln ab. Ich habe Angst, gleich zu sabbern.

«Hoi, du musst Corinne sein. Ich bin Ulrich.»

Wie bitte? DAS ist Ulrich? Ich dachte, Annas Mann ist leicht untersetzt, griesgrämig und despotisch. Ich dachte, er trägt schlechtsitzende Anzüge und eine hässliche Brille. 

«Stimmt, ich muss Corinne sein», antworte ich leicht dämlich. 

«Danke, dass du hilfst. Anna, ich kümmere mich noch um die Stehtische. Ihr kommt klar?»

«Sicher, Schatz.»

Ich verkneife mir jeglichen Kommentar und lasse mir von Anna erklären, was wo ist. Ab fünf kommen die ersten Gäste und ich habe alle Hände voll zu tun, alle mit Getränken zu versorgen und mit den Platten herumzugehen. Als es erneut klingelt, kommt ein weiteres Paar in den Flur. Ich drehe spontan ab. Ich kenne den Typen. Aus der Zeitung weiss ich, dass er irgendwas in der Lokalpolitik macht. Aus meinem beruflichen Alltag weiss ich, dass er Viagra konsumiert. In rauen Mengen. Als ich mir seine Begleitung ansehe, muss ich grinsen. Er ist bestimmt schon Mitte 50. Sie dagegen eher so Ende 30. Ausserdem überragt sie ihn auf ihren High Heels fast um einen Kopf. Immer, wenn er sich zu ihr wendet, guckt er direkt auf ihren Doppel-D-Busen – der bestimmt nicht günstig war. Dafür hätte er sich bei Ulrich ganz sicher einen Kleinwagen kaufen können. Wobei der im Bett natürlich weniger Spass macht. Der Mann überreicht mir wortlos seine Jacke und erkennt mich definitiv nicht. Klar. Ich trage nicht meine Apothekerinnen-Uniform.

Die Stimmung ist ausgelassen. Viele stehen auf der Terrasse, ein paar Frauen haben ihre Schuhe ausgezogen und lassen ihre Füsse in den Pool baumeln. Mir ist mittlerweile so warm, dass ich am liebsten Anlauf nehmen würde, um mit einer «Arschbombe» hineinzuspringen. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln.

Als sich gegen neun die ersten Gäste verabschieden, kommt Anna zu mir. 

«Du kannst jetzt auch gehen, wenn du magst. Du warst echt eine super Hilfe. Ohne dich hätte ich das nie geschafft.»

«Gerne. Dann mache ich mich mal auf den Heimweg.»

«Vorher habe ich aber noch ein kleines Dankeschön für dich.»

Sie holt ein kleines Kästchen hervor. Ich klappe es auf. Darin liegen zwei wunderschöne Ohrringe. Goldene Kreolen mit einem Glitzerstein. Sie sehen mega edel und teuer aus.

«Das muss doch echt nicht sein. Das war ein Freundschaftsdienst.»

«Und Freunden macht man gerne ein Geschenk. Am besten sehen sie wahrscheinlich aus, wenn du die Haare hochsteckst.»

«Ja, wahrscheinlich. Vielen Dank.»

Wir umarmen uns und ich gehe nach Hause. Das Kästchen in meiner Tasche fühlt sich tonnenschwer an. Keine Ahnung, warum.

* * * * *

Die Tage vergehen schnell. Sommergrippe, Verbrennungen am Grill, Sonnenallergien und die üblichen Magen-Darm-Erkrankungen prägen meinen beruflichen Alltag. Es gibt viel zu tun, und ich bin froh, dass ich am Mittwoch schon vor Mittag gehen kann. Ich will unbedingt noch auf den Markt, um mich mit frischem Gemüse und Obst zu versorgen. Ich liebe es. Er ist zwar klein, aber irgendwie auch süss. Als Anna in mich hineinläuft, erkennt sie mich erst im zweiten Moment. Kein Wunder. Sie hat die Arme voll mit frischen Blumen, die ihr die Sicht nehmen. 

«Hi, Corinne. Wie schön, dich zu sehen. Bist du auf Vitamine-Jagd?»

«So kann man es sagen. Wie geht es dir? Wie war es am Sonntag noch?»

«Lang. Ein paar finden oft den Absprung nicht. Ich bin um kurz nach zwölf im Bett.»

Sie guckt sich plötzlich um und senkt ihre Stimme.

«Könntest du mir heute Abend wohl einen klitzekleinen Gefallen tun?»

«Hat Ulrich schon wieder Gäste eingeladen?»

«Nein, nein. Aber könntest du mein Alibi sein? Nur für den Fall, dass irgendjemand fragt. Kann ich sagen, ich bin bei dir?»

Wie kann ich ablehnen, wo ich doch so tolle Ohrringe von ihr bekommen habe?

«Wer sollte denn nachfragen? Ulrich?»

«Vielleicht. Was meinst du?»

«Klar. Und was mache ich, wenn er plötzlich anruft und dich sprechen will?»

«Dann sagst du, dass ich schon auf dem Heimweg sei und rufst mich an.»

«Okay. Will ich wissen, was du wirklich machst?»

«Was wohl?»

Sie lacht laut, und ich fühle mich wie ein kleines Kind, das bis gerade an den Osterhasen geglaubt hat. 

Echtbild mit Illustration
Das ist er also: Corinnes Lieblings-Dönermann Malik. Illustration: Sascha Bacher

Durch das Gespräch und weil ich ziemlich lange am Obststand warten musste, komme ich später als sonst zu meinem Lieblings-Dönermann am Bahnhof. Malik winkt mir fröhlich zu, als ich mich in die Schlange einreihe. Am Mittwoch ist hier mittags immer die Hölle los, und ich bemühe mich sonst immer, ein paar Minuten vor zwölf da zu sein. Vor ein paar Wochen habe ich hier meinen ersten Döner in Dübendorf bestellt. Es war auch Maliks erster Döner. Er hatte damals so viel von der scharfen Sauce ins Brot getan, dass ich dachte, mein Mund implodiert. Es tat ihm natürlich total leid, und er hat einen riesigen Anschiss vom Chef bekommen. Die nächsten Wochen habe ich dann immer nur Salat bestellt. Aber heute muss es ein Döner Kebab sein. 

«Hoi Corinne.» Malik schüttelt lange meine Hand. «Bist du spät heute. Ich habe mir schon fast Sorgen gemacht.»

«Bin aufgehalten worden. Ich nehme heute einen Kebab mit ein bisschen scharfer Sauce.»

«Wird gemacht. Setz dich doch hin, ich bringe ihn dir.»

Ich lasse mich an einem der kleinen Tische nieder und bin immer noch ganz verwirrt. Hat Anna echt eine Affäre nebenbei? Ich hätte dazu nicht die Nerven. Und ehrlich gesagt, verstehe ich das auch nicht. Wenn man sich neu verliebt, muss man sich doch von dem alten Partner trennen. Eigentlich ist das doch ganz einfach. Ist Anna der Typ, der auf den Luxus nicht verzichten kann und sich deswegen nicht von Ulrich trennt? 

Malik kommt und setzt sich neben mich. 

«So ernst heute?»

«Ich versuche gerade zu verstehen, warum Menschen fremdgehen.»

«Du hast einen verheirateten Mann kennengelernt? Finger davon. Macht unglücklich.»

«Keine Angst, es geht nicht um mich. Hast du schon mal eine Frau betrogen?»

«Nein. Dazu hatte ich noch keine Zeit», lacht er und bindet seine Locken neu zu einem Pferdeschwanz. Malik kommt aus der Nähe von Izmir und hat die ersten 30 Jahre seines Lebens einfach nur gelebt. Er hat viel gejobbt, ist viel gereist und hat vor allem viel am Computer gezockt. An seinem 30. Geburtstag hat er sich vorgenommen, dass ihm das nun reicht und hat ein Informatikstudium an der ETH angefangen. Mittwochs und samstags arbeitet er in dem Dönerladen. Ansonsten lernt er. 

«Ich muss wieder los. Noch eine Cola Zero?»

«Klar. Danke.»

Als ich später bei ihm bezahle, legt er mir kurz die Hand auf die Schulter. 

«Wenn du wirklich mal eine Affäre suchst, nimm bitte mich, okay?»

Ich nicke und versuche mich nicht zu fragen, wie ernst er das meint. 

Am Abend halte ich es in meiner Wohnung nicht aus. Was, wenn plötzlich Ulrich klingelt und seine Anna sehen will? Was, wenn er echt sauer ist? Ich weiss, dass diese Gedanken blöd sind. Ulrich weiss ja gar nicht, wo ich wohne. Und trotzdem fühle ich mich unwohl. Ich gehe vor die Tür und den Glattquai runter. Es sind viele Velofahrer und Spaziergänger unterwegs. Die Bänke sind gut besetzt. Im Park ist bei dem Wetter natürlich viel los. Ich gehe einfach immer weiter, bleibe ein paarmal stehen, werfe gedankenlos Steine ins Wasser. Ich kenne Anna kaum, aber irgendwie kann ich nicht glauben, dass sie diesen Ulrich betrügt. Er wirkte so nett, freundlich. Immer wieder hat er beim Apéro seine Frau mal kurz in den Arm genommen oder ihren Rücken gestreichelt. Aber, wer weiss. Vielleicht hat er ja auch ein anderes Gesicht? Vielleicht ist er jähzornig oder grundlos eifersüchtig. Obwohl, grundlos in dem Fall wohl kaum. Als ich um kurz nach zehn wieder nach Hause komme, gucke ich mich ängstlich ein paarmal um. Ich habe echt Schiss, dass Ulrich hier irgendwo hinter einem Baum lauert. Schnell husche ich ins Haus und gehe ins Bett. Ich hoffe sehr, dass Anna demnächst eine andere Freundin als Alibi benutzt.

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie ein Kommentar ein.

Wir veröffentlichen Ihren Kommentar mit Ihrem Vor- und Nachnamen.
* Pflichtfeld

Anzeige

Anzeige